Buchempfehlungen für Eltern von Hochbegabten
Es ist nicht leicht, Bücher zu finden, die das Thema Hochbegabung direkt und umfassend behandeln. Dennoch gibt es viele Werke, die für Eltern hochbegabter Kinder besonders spannend und hilfreich sein können. Alle hier aufgeführten Bücher habe ich selbst gelesen, und sie haben mir geholfen, meine Kinder – und auch mich selbst – besser zu verstehen. Natürlich ist nicht jedes Buch für jede Situation oder jeden Leser gleichermaßen relevant. Deshalb: Nehmt das, was für Euch nützlich ist, und lasst den Rest einfach beiseite.
Zu jedem Buch findet Ihr eine kurze Beschreibung, warum ich es empfehle. Wenn es eine deutsche Übersetzung gibt, habe ich den deutschen Titel angegeben, ansonsten ist der englische Titel aufgeführt.
Mein Tipp: Beginnt mit dem Buch, das Euch am meisten anspricht oder das gerade zu dem passt, was Euch aktuell beschäftigt.
Wenn Ihr eines der Bücher gemeinsam besprechen oder andere Werke empfehlen möchtet, meldet Euch gerne bei mir – Jasna (jasnabronic@gmail.com).
Kreativität
„FLOW und Kreativität: Wie Sie Ihre Grenzen überwinden und das Unmögliche schaffen“ von Mihály Csíkszentmihályi
- In diesem Buch geht es um höchst kreative Menschen (Wissenschaftler, Künstler …), die entweder ihr Fachgebiet revolutioniert oder völlig neue Bereiche geschaffen haben. Der Autor nennt sie zwar nie explizit hochbegabt, doch es ist schwer vorstellbar, dass sie keine außergewöhnlichen Talente in ihren jeweiligen Fachgebieten hatten.
- Csíkszentmihályi hat mit Hunderten solcher Menschen gesprochen, um herauszufinden, was sie gemeinsam haben. Unter anderem untersucht er die Eigenschaften kreativer Menschen sowie ihre Erziehung und Bildung.
- Mein Lieblingszitat aus dem Buch lautet: „In fact, school left positive memories with none of them.“ (Übersetzt: „Tatsächlich hat die Schule bei keinem von ihnen positive Erinnerungen hinterlassen.“)
Emotionsregulierung
Beide Bücher sind der Meinung, dass man seine Gefühle besser kontrollieren kann, wenn man sie erkennt und benennt. Ein größeres Emotionsvokabular und das Wissen darüber, wie Gefühle entstehen, können dabei helfen.
“Atlas of the Heart” von Brené Brown
- Das Buch erklärt, welche Gefühle es gibt und was sie voneinander unterscheidet.
- Ich hatte einen großen Aha-Moment, als ich den Unterschied zwischen „sympathy“ und „empathy“ gelernt habe (auch wenn die meisten Leute die Wörter als Synonyme nutzen).
- Das englische Hörbuch wird von der Autorin selbst gelesen und es ist eine Freude, ihr zuzuhören.
“Wie Gefühle entstehen: Eine neue Sicht auf unsere Emotionen” von Lisa Feldman Barrett
- Die Autorin erklärt, was wir schon seit 2000 Jahren über Emotionen zu wissen glauben, die Konsequenzen dieser Denkweise und was die Studien der letzten 100 Jahre dazu sagen. Zusammengefasst: Es ist unglaublich, dass sich die Art, wie wir unsere Gefühle betrachten, trotz aller Beweise nicht mehr verändert hat.
- Zu wissen, was Emotionen nicht sind (ein animalistischer Teil von uns, den wir mit dem Verstand bezwingen müssen), hat mir geholfen, meine eigenen Emotionen zu akzeptieren und zu steuern.
Belohnungen und Strafen
“Punished by Rewards: Twenty-Fifth Anniversary Edition: The Trouble with Gold Stars, Incentive Plans, A’s, Praise, and Other Bribes” von Alfie Kohn
- In dem Buch geht es darum, dass Belohnungen und Strafen zwei Seiten derselben Medaille sind und warum man sie lieber nicht einsetzen sollte. Als Belohnungen und Strafen sieht der Autor alles, was als manipulativ bezeichnet werden kann. Ein „Sehr gut!“, das aus dem Herzen kommt, sieht er nicht als Belohnung. Wenn man dasselbe sagt, nur weil man will, dass das Kind das Verhalten beibehält, ist es jedoch eine Belohnung.
- Viele Beispiele von Studien werden beschrieben, die zeigen, dass Belohnungen zwar kurzfristig das Verhalten verändern können, aber langfristig die intrinsische Motivation des Kindes zerstören.
- Seitdem mein Mann und ich das Buch gelesen haben, setzen wir überhaupt keine Strafen und Belohnungen mehr ein. Stattdessen reden wir mehr mit unseren Kindern darüber, wie wir uns verhalten wollen (und ich dachte, noch mehr zu reden wäre unmöglich). In unseren Familienzusammenleben haben wir dadurch weniger Stress und den Kindern fällt es leichter etwas zu beichten.
Lernen und Konzentration
In diesen Büchern geht es ums Lernen: Welche Methoden funktionieren, warum das so ist und was wir tun können, damit uns und unseren Kindern das Lernen Spaß macht. Und wenn das Lernen an sich Freude bereitet, folgt auch die Konzentration.“Das Zettelkasten-Prinzip: Erfolgreich wissenschaftlich Schreiben und Studieren mit effektiven Notizen” von Sönke Ahrens
- Das Buch klingt, als ginge es nur um eine spezifische Methode des Notizenmachens – den Zettelkasten. Das ist aber nicht so. Ja, die Methode wird erklärt, aber viel wichtiger ist die Erklärung, warum sie so gut funktioniert und welche Lernmethoden wir in Schulen einsetzen, die besonders hochbegabte Kinder frustrieren, weil sie eben nicht wirksam sind.
- Wegen dieses Buches kann ich jetzt erklären, warum ich mich so gewehrt habe, 20 neue Wörter in Latein jede Woche zu lernen. Es nützte mir doch nichts, wenn ich das Wissen auf keine Art und Weise anwenden konnte, und nächste Woche hätte ich die Wörter eh vergessen.
- Der Flow, auch Schaffensrausch genannt, ist ein Zustand des vollkommenen Eintauchens in eine Tätigkeit. Er tritt auf, wenn man so vertieft ist, in was man macht, dass man alles andere vergisst und die Zeit wie im Flug vergeht.
- Der Autor ist der Psychologe, der das Konzept erkannt, benannt und erforscht hat. Im Buch fasst er all sein Wissen auf eine sehr zugängliche Weise zusammen, gibt tolle Beispiele und erklärt, was man machen kann, um öfter in den Flow zu kommen.
- Dieses Buch ist fast wie eine Erweiterung von “Flow” (oben). Es baut auf den Ideen auf und berücksichtigt neue wissenschaftliche Erkenntnisse.
- Hier habe ich gelernt, dass eine Aufgabe, die ungefähr bei 104% meiner Fähigkeiten liegt, für mich am interessantesten sein wird. Jetzt versuche ich, einfache Aufgaben mit einer Herausforderung zu verbinden, damit sie mir mehr Spaß machen, und zu schwierige Aufgaben teile ich so auf, dass sie bei den 104% landen.
Konzentration und Vergesslichkeit
In den meisten Fällen, in denen sich Eltern über Konzentrationsstörungen bei ihren Kindern beklagen, geht es nicht darum, dass sich das Kind überhaupt nicht konzentrieren kann, sondern dass es sich nicht auf das konzentrieren kann, was Eltern und Lehrer als wichtig erachten.
In solchen Fällen ist es ratsam, sich die Tipps und Tricks für Kinder mit ADHS anzuschauen (unabhängig davon, ob bei dem Kind eine ADHS-Diagnose besteht oder vermutet wird). Die Empfehlungen sind generell einfach auszuprobieren und schlimmstenfalls funktionieren sie nur nicht.
“Parenting ADHD Now!: Easy Intervention Strategies to Empower Kids with ADHD” von Elaine Taylor-Klaus und Diane Dempster
- Das Buch ist von zwei Müttern geschrieben, die zusammen fünf Kinder mit ADHS haben. Es ist voll von Ratschlägen, die bei mindestens einem ihrer Kinder funktioniert haben, und es erklärt, warum die Kinder so sind, was man von ihnen erwarten kann und was nicht. Zum Beispiel: Eine einfache Anweisung wie „Vergiss das morgen nicht!“ funktioniert viel schlechter als gemeinsam mit dem Kind einen Alarm zu stellen.
- Mein Sohn konnte nie lange neben mir sitzen bleiben, während wir ein Buch gelesen haben. Ich habe das als Langeweile interpretiert, obwohl er das immer verneint hat. Jetzt verstehe ich, dass sein Körper die Bewegung braucht, um aufmerksam zu bleiben. Ich lese das Buch vor, während er im Zimmer herumtobt oder mit Spielzeug spielt. Und wenn ich ihm eine Frage stelle, weiß er genau, was wir gelesen haben.
“How to ADHD: An Insider’s Guide to Working with Your Brain” von Jessica McCabe
- Die Autorin führt einen YouTube-Kanal „How to ADHD“, wo sie in Zusammenarbeit mit Therapeuten über ihre Erfahrungen mit ADHS spricht. In dem Buch geht sie strukturiert durch die Themen, die sie auch in ihren Videos behandelt.
- Den YouTube-Kanal verfolge ich schon seit Jahren, weil die Autorin so gut komplexe Themen zusammenfasst. Bei ihr habe ich gelernt, mich nicht übertrieben schuldig zu fühlen, jedes Mal wenn ich etwas vergesse. Stattdessen schreibe ich mir jetzt alles auf, und zwar dort, wo ich es rechtzeitig sehen werde.
Autobiografie
„I. Asimov: A Memoir“ von Isaac Asimov
- Der berühmte Schriftsteller beschreibt unter anderem, wie seine Hochbegabung und sein stark ausgeprägter Gerechtigkeitssinn sein Leben beeinflusst haben.
- Ich fand seine Analysen faszinierend: Warum er sich oft als Außenseiter fühlte, aber trotzdem viele Freunde finden konnte, wovor er Angst hatte und wie er sein Leben so gestaltete, dass er bestimmte Dinge – wie zum Beispiel das Fliegen – vermeiden konnte.